Was auf den Straßen der Kleinstadt Jaslo angefangen hat, führte jüngst wieder zurück ins polnische Nationalteam. Bei einem Spaziergang durch den benachbarten Park in Kleßheim gab uns Kamil Piatkowski für die „Salzburger Halbzeit“ Einblicke in seinen Werdegang, seine Gefühlslage vor dem Antrag an seine Freundin Julia und den stetigen Drang, sich zu verbessern – und erklärt uns, wieso seine Tattoos einst eine Art Ablenkungsmanöver gewesen sein könnten.
Kamils Weg war nicht immer leicht und unter anderem in den letzten Jahren von harten Rückschlägen und wichtigen Lehren gezeichnet, doch diese Saison scheint der defensive Abräumer endgültig in Salzburg angekommen zu sein, nicht zuletzt seit der kürzlichen Verlobung mit seiner geliebten Lebensgefährtin, die er nach seinem Wechsel an die Salzach hier in Österreich kennenlernte.
„Ich war wirklich extrem nervös, definitiv nervöser als vor einer Champions League-Partie! Irgendwie auch logisch, in der Champions League habe ich mittlerweile schon einige Spiele gemacht, einen Antrag noch nie“, erzählt Kamil schmunzelnd.
„Normalerweise bin ich nicht der größte Romantiker und kann solche Dinge nicht unbedingt gut. Ich glaube, ich habe mich aber ganz gut geschlagen. Als wir da am Strand standen, war ich zwar erst so überwältigt, die ganze Aufregung hat mir in dem Moment tatsächlich die Sprache kurz verschlagen. Irgendwann habe ich die Frage dann doch noch hervorgebracht und mir sind auch selbst die Tränen gekommen. Es war sicherlich einer der schönsten Momente in meinem Leben!“
Wann die Hochzeitglocken endlich läuten, steht derweil noch nicht fest. Schließlich ist unser Terminkalender für diese Saison mit der Aufstockung der Königsklasse und der Klub-WM besonders vollgepackt – und Kamil freut sich, dabei seinen Teil beitragen zu können.
Ich weiß, ich habe meine Stärken sowie Schwächen auf dem Platz, an denen ich täglich arbeite.
„Nach meiner Leihe im Frühjahr zum FC Granada wusste ich im Sommer zuerst nicht, wie es mit mir weitergehen würde. Ich war für alles offen und mir war wichtig, mit vollem Fokus meine Arbeit – das Fußballspielen – anzugehen. Heute kann ich sagen: Es macht mich sehr glücklich, hier in Salzburg zu sein. Beim neuen Trainer war jeder von uns ein unbeschriebenes Blatt und konnte neu durchstarten. Ich weiß, ich habe meine Stärken und natürlich auch Schwächen auf dem Platz, an denen ich täglich arbeite.“
Seit seiner Ankunft 2021 bei unseren Roten Bullen hat der heute 24-Jährige einiges dazugelernt, einiges davon auch auf wortwörtlich schmerzhafte Art und Weise, so bremsten ihn etwa ein Knöchelbruch und andere Verletzungen immer wieder aus.
„Die Gesundheit ist am wichtigsten für mich. Ich hatte es diesbezüglich ja nicht immer leicht. Ich musste das eine oder andere in meinem Leben umstellen, achte jetzt mehr auf meinen Schlaf und meine Ernährung sowie darauf, genügend Wasser zu trinken und die richtigen Nährstoffe zu mir zu nehmen. Bei meiner Ankunft in Salzburg war mein ,‚Mindset‘ diesbezüglich noch nicht so professionell wie heute, was ja auch logisch ist. Ich war jung und wusste vieles einfach noch nicht.“
Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, kommt mir direkt Fußball in den Sinn!
Für Kamil war der Fußball dabei schon immer die einzig wahre Bestimmung, zu groß ist die Liebe zum Spiel für irgendwelche andere Karrieren gewesen! Was er machen würde, wäre er kein Profi geworden? Das kann der Defensiv-Spezialist nicht beantworten. Schon sein Vater und Onkel kickten einst in Polens dritter Liga, den Weg zur Profikarriere beschritt der junge Bursche auf den Straßen von Jaslo jedoch selbst.
„Wenn ich an meine Kindheit zurückdenke, kommt mir direkt Fußball in den Sinn! Ich war nicht immer unbedingt ein braves Kind, vor allem in der Schule. Ich war aber sehr fröhlich, hatte viel Spaß und gute Freunde. So gut wie jeden Tag haben wir Fußball gespielt.
Direkt vor unserem Haus gab es einen kleinen Platz, schon als Achtjähriger habe ich da täglich mit einem Dutzend anderer Kinder – der Großteil älter als ich – gekickt.
Erst mit zehn bin ich dann über ein Schulturnier zu einem Verein gekommen und wenig später dann ins Sport-Internat – von da an war der Weg dann relativ schnell klar.“
Während der fußballerische Pfad über Karpaty, Lubin und Rakow schließlich zu uns führte, entwickelte der Abwehrhüne noch eine weitere große Leidenschaft. Was bei Kamil ohne Frage schnell ins Auge sticht: jede Menge Tattoos! Nach besonderen Hintergründen bzw. Bedeutungen sucht man dabei jedoch vergebens. Für den vielseitigen Kicker geht’s bei diesen einfach um eines: Style.
In Wirklichkeit bin ich aber ein echt netter Kerl – außer zu den gegnerischen Angreifern natürlich.
„Mein erstes Tattoo habe ich mir mit 16 Jahren stechen lassen. Mein Vater war echt wütend, hat es mir aber erlaubt und ist sogar mit zum Termin gekommen – nachdem ich einige Tage auf ihn eingeredet hatte. Damals meinte er, es würde bei dem einen Tattoo bleiben – ist es dann doch nicht, sorry dafür! Alle sagen mir immer, dass ich damit wie ein ‚Bad Guy‘ aussehe. In Wirklichkeit bin ich aber ein echt netter Kerl – außer zu den gegnerischen Angreifern natürlich“, spricht Kamil über seine äußere Erscheinung, bei der dem Betrachter zudem ein weiteres Merkmal auffällt.
„Ich wurde ja auch mit einer kleinen ‚Besonderheit‘ an meiner Oberlippe geboren. Mir fehlte dort an einer Stelle etwas Haut, und die Ärzte mussten dann welche von anderen Stellen meines Körpers transplantieren. Zum Glück hatte ich mental nie wirklich Schwierigkeiten damit, ich hatte echt ein gutes Umfeld – heute weiß ich, dass das gerade unter Kindern auch anders sein kann, und schätze es deshalb umso mehr, wie es mir ergangen ist. Aber klar, präsent bleibt das Thema psychisch bei einem selbst immer. Ich habe mich vor einigen Jahren schon gefragt, ob ich mit den über meinen Körper verteilten Tattoos eventuell unterbewusst etwas von dieser Stelle ablenken möchte. Heute ist das aber definitiv nicht mehr der Fall.“
Wovon unser Innenverteidiger mit dem Spitznamen ‚Piata‘ (Aussprache: Pjonta) – was im Polnischen so viel wie eine Aufforderung zum ‚High five‘ bedeutet – definitiv auch nicht ablenken muss, ist seine unermüdliche Arbeitsbereitschaft, mit der er in den kommenden Wochen und Monaten noch einiges in Bewegung setzen möchte!
„Jetzt wieder für mein Nationalteam zu spielen und mit dem Klub in der UEFA Champions League auflaufen zu dürfen, ist nach all den Mühen ein umso tolleres Glücksgefühl, beides erfüllt mich mit jeder Menge Stolz und war ein jahrelanger Traum von mir! Es klingt nach einer Phrase, aber es stimmt, dass es in jedem einzelnen Training 110 Prozent zu geben gilt. Nun möchte ich einfach meinen Teil dazu beitragen, dass wir gemeinsam wieder möglichst viele Siege einfahren und erfolgreich sind!“