FUSSBALL IST HERZBLUT, MILLIONENGESCHÄFT UND EBEN AUCH UNTERHALTUNG. WIE EIN ZIRKUS ZIEHT MAN DURCH GANZ EUROPA UND BEGEISTERT DIE MASSEN. OUMAR STEHT DABEI NEUERDINGS IM RAMPENLICHT – UND ER GENIESST ES.
„Oumar, ein Foto, bitte!“ Kurz ist er verblüfft, dann grinst er, wischt sich die Haare aus dem Gesicht und winkt die Jugendlichen herbei. Man kennt den schlaksigen Franzosen. Oder besser gesagt, er kann sich mit seinen 1,92 m nicht vor den neugierigen Blicken verstecken. Er ist eine Erscheinung jugendlicher Natur, etwas verspielt, unglaublich talentiert und sich oft noch gar nicht bewusst, wie viel er zu leisten imstande ist. Damit steht er im Kontrast zu so vielen, die vor der großen Karriere schon das große Ego mit sich tragen. Oumar ist da anders, eigentlich so wie früher, auf den Betonplätzen der französischen Hauptstadt:
Ich habe vier Brüder, drei ältere, einen jüngeren. Für uns gab es immer nur Fußball, morgens, mittags, abends, bei gutem oder schlechtem Wetter. Bis ich 11 Jahre alt war, habe ich nicht einmal im Verein gespielt. Das ist etwas anders als hier. In der Ile-de-France (Anm.: französische Hauptstadtregion) findet man die richtig guten Kicker noch auf der Straße. So spiele ich auch heute noch, mit dem nötigen Spaß.
Das ist auch kein Indikator für die soziale Herkunft der Burschen aus dem Großstadtdschungel. Hier spielen alle Fußball, beinahe jeder kennt jemanden, der das Zeug zum Profi hat. Auch in Melun, der schmucken Provinzstadt am Mittellauf der Seine, in der Oumar seine Kinderjahre verbracht hat:
Wir hatten immer alles, was wir brauchten. Mein Vater kam aus der Zentralafrikanischen Republik und meine Mutter aus der Elfenbeinküste. Sie sind beide schon lange in Frankreich, auch wenn sie Einwanderer erster Generation sind. Während ihrer Zeit haben sie sich viel aufgebaut. Papa ist Rechtsanwalt, Mama führt ein Restaurant mit afrikanischer Küche.
Kein Wunder also, dass er und seine Brüder groß und stark wurden. Daheim stand immer etwas auf dem Herd. Die Kraft brauchte Oumar für das harte Training, denn ab dem Umzug nach Paris trainierte er bei Creteil, einem Drittligisten, der schon so manchen Kicker hervorgebracht hat. Auch der Premier League-erprobte Stephane Sessegnon nahm in seiner Jugend einen Abstecher hierher.
Ich habe zum ersten Mal mitbekommen, was Fußball mit echten Regeln bedeutet. Es war ein bisschen anders, aber die Umgewöhnung fiel mir leicht. Über die Zwischenstation Villejuif bin ich zu Stade Laval gegangen, mein erster großer Klub.
Oumar war da erst 14, aber schon drei Autostunden von daheim entfernt, westwärts, im Loiretal, wo es für ihn nicht viel gab außer Fußball. Alle paar Wochen bildeten die Pariser Burschen eine Fahrgemeinschaft, um zurück in die Heimat zu kommen. Heute wäre diese Truppe zig Millionen schwer. Gemeinsam mit Nordi Mukiele (RB Leipzig) und Serhou Guirassy (Stade Rennes) saß er damals in einem Kleinwagen.
Es war eine gute Zeit, und wir hatten viel Spaß. Von der Ausbildung, die ich von meinem Jugendcoach Stephane Moreau in Laval bekommen habe, zehre ich bis heute. Ich bin dort zu einem Profi gereift. Dass ich so talentierte Mitspieler hatte, hat natürlich auch geholfen.
Nach seinem Drittligadebüt mit 17 streckten viele Erstligaklubs ihre Fühler nach Oumar aus. Er entschied sich für Lyon, nicht etwa über den Umweg der Akademie, sondern als Bestandteil der ersten Mannschaft, der behutsam über das B-Team herangeführt werden sollte. Doch Oumars Karriere, bis dorthin war sie ein linearer Höhenflug, nahm eine unerwartete Wendung, als er sich das Kreuzband riss.
Bei großen Vereinen bist du nur eine Nummer. Wenn du dich nicht wöchentlich ins Rampenlicht spielst, bist du schnell vergessen. Meine Verletzung war ein gutes Beispiel dafür. Noch jüngere Spieler als ich hatten plötzlich meinen Platz eingenommen. Mir war klar, ich musste den Verein verlassen.
Wieder standen die Vereine Schlange, denn wie das in der Fußballwelt so ist, war die Ungewissheit seiner Rückkehr aus der halbjährigen Verletzungsabsenz ein Preisdrücker. Die Forderungen von Lyon waren kleiner als noch zuvor. Trotz seiner unglücklichen Lage konnte er sich den Verein also aussuchen. Abenteuerfreudig, wie er ist, wollte er unbedingt ins Ausland:
Es gab auch Anfragen aus der Ligue 1, aber für mich war klar, dass ich mich im Ausland beweisen wollte. Das gute Image des FC Red Bull Salzburg hat mich bewogen, hierherzukommen. Mir war klar, dass man jungen Spielern hier eine Chance gibt. Und die Entscheidung hat sich nach einem schwierigen Start auch ausgezahlt.
Was Oumar damit meint? Der Kreuzbandriss war bei seiner Ankunft in Salzburg noch nicht auskuriert. Erst nach penibler Untersuchung am Knie unterschrieb er seinen Vertrag. Trotz seiner offensichtlich guten Anlagen war er zunächst eine Randerscheinung, was ihm, ob seiner ehrgeizigen Karriereziele, auch so manches Problem einhandelte:
Mein Start war natürlich nicht leicht. Ich konnte den Trainer (Anm.: Jesse Marsch) nicht völlig überzeugen. Mit wenigen Einsätzen hast du kaum eine Chance, zu glänzen. Auch ohne ein Wort Deutsch zu können, fiel es mir nicht leicht. Es waren oft Freunde aus Frankreich zu Besuch, um es mir leichter zu machen. Mittlerweile kommt aber alles gut in Fahrt.
Unter Matthias Jaissle bekam er prompt sein Stammleiberl und trägt es auch so, als hätte sich das immer von selbst verstanden. Im August war er sogar zum ersten Mal bei der Abstimmung zum Spieler des Monats nominiert. Es ist nicht ein Bruchteil von dem, was er kann, meint Oumar, der Dompteur im Cirque de Solet:
Wenn ich mit meinen Kumpels aus Frankreich rede, mit Amine Gouiri und Maxence Caqueret, pushen wir uns gegenseitig. Wir haben hohe Ziele. Zu ihnen habe ich gesagt, dass ich in zwei Jahren mit der Equipe Tricolore auflaufe. Wenn alles passt, kann es bei mir sehr schnell gehen.